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Diagnose: Schreibblockade

Dreimonatige Challenge
von

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10.5.2024: blitzschnell

„Also? Sagt ihr mir jetzt mal, was hier los ist?“, stand Ben neben der Couch und ließ den Blick von Jenny zu Hellen wandern. Die eine saß neben ihm auf dem Sessel und bedeutete ihm, sich wenigstens neben sie auf die Lehne zu setzen, während die andere am Fenster stand und ihm den Rücken zudrehte. Ihr sei es gleich, ob er da wäre, hatte sie gesagt und ihn bei Betreten des Zimmers nicht einmal gegrüßt. Blitzschnell war ihm beim Anblick des Raumes ein unangenehmes Gefühl in die Brust geklettert, das er nun versuchte zu verdrängen. Das Bettzeug auf dem Sofa und der Koffer in der Ecke sprachen Bände.

„Wieso pennt sie bei dir?“, fragte er harscher als gewollt an Jenny gewandt, als Hellen sich in Schweigen hüllte.

„Weil Richard denkt, ich hätte ihn mit dir betrogen“, brachte sie nun doch einige leise Worte über die Lippen und Ben verfiel in Gelächter.

„Soll das ein Witz sein?!“, rief er aus und zuckte zusammen, als er einen tadelnden Klaps am Oberschenkel spürte. Jenny funkelte ihn wütend an und stand auf.

„Setz dich, ich hol was zu trinken“, zischte sie und ließ keine Widerworte gelten; das konnte er ihr ansehen. Er seufzte aus und guckte ihr kurz nach, ehe er wieder auf Hellens Rückansicht schaute, während er sich auf dem Sessel niederließ. Er hatte eine Ahnung, warum sie sich gerade in dieser Situation wiederfanden, aber die wollte er nicht wahrhaben; genauso wenig wie die offensichtliche Anspannung in Hellens Körper, die durch sein Lachen noch gewachsen war.

„Bist du gekommen, um dich über mich lustig zu machen?“, fragte sie bitter und er spürte, wie Unruhe und Ungeduld in ihm anwuchsen.

„Nein, ich wollte nur nach meiner Freundin sehen! Dass du hier bist, wusste ich überhaupt nicht!“, knurrte er und fragte sich im selben Augenblick, warum er gerade so wütend auf Hellen wurde.

„Weißt du was?! Ich gehe!“, hielt es ihn nicht lang auf dem Sessel, aber dank Jennys Rückkehr zumindest weiterhin in deren Wohnung. Sie versperrte ihm den Weg, sodass er sich plötzlich wie ein eingesperrtes Tier fühlte; erst recht bei ihrem Anblick, der äußerlich zwar ruhig wirkte, aber ihre Wut und Enttäuschung trotzdem nicht verhehlen konnte. Sie drückte ihm die Colaflasche in die Hand und schnaubte dann aus.

„Du weißt, dass ich mich die ganze Zeit, so gut es ging, aus allem rausgehalten habe“, begann sie und sprach damit wohl die Worte aus, die er mit am meisten befürchtet hatte. Natürlich hatte er ihr von den Treffen und Gesprächen mit Hellen erzählt und natürlich wusste er durch Jennys kleine Nachfragen und kurze Einwänden, dass sie dem Ganzen von Anfang an skeptisch gegenüber gestanden hatte. Aber trotzdem hatte sie ihn gewähren lassen, die Beziehung in den Vordergrund gestellt und ihn nie richtig zur Rede. Musste sie ausgerechnet jetzt damit anfangen, das zu ändern?

„Ich dachte wirklich, dass du einfach nur mit mir befreundet sein wolltest“, hörte er nun auch noch hinter sich und presste die Kiefer aufeinander. Hellen drehte sich langsam zu ihm und lehnte sich an die Fensterbank. Ihr Anblick war furchtbar; sie war blass, die Augen gerötet, die Ringe unter ihnen tief und dunkel. Ben konnte sie nicht lange anschauen, starrte stattdessen zu Boden.

„Ich hab Richard nicht erzählt, dass ich mich mit dir getroffen habe, aber er hat es trotzdem gemerkt“, sprach sie weiter, räusperte sich immer wieder und kämpfte gegen die brechende Stimme an, während sie an die vergangenen Wochen zurückdachte. An die Momente, in denen ihr die Treffen mit Ben ein Gefühl der Leichtigkeit vermittelt hatten. In denen zur Abwechslung mal niemand von ihr erwartet hatte, eine Vorzeigestudentin und Vorzeigefreundin zu sein. In denen sie sich wieder ein bisschen wie zu Schulzeiten gefühlt hatte, rumalbern konnte und über Themen sprechen, die mal nichts mit Karriere, Ansehen und Beziehung zu tun hatten. Sie dachte aber auch an Richards wachsendes Misstrauen. Weil sie öfter zu Verabredungen mit angeblichen Kommilitoninnen gegangen war, weil sie manchmal nach Chlor gerochen hatte, wenn sie im Schwimmbad auf Ben gewartet hatte und nicht zuletzt, weil sie Richards Anweisungen ignoriert hatte.

„Ich hätte mich nie drauf einlassen sollen, ihn auf seine Kaufpläne anzusprechen. Und das auch noch mehrfach“, murmelte sie und hatte seine wachsende Wut über ihr zunehmendes Interesse an seinen Geschäften vor Augen.

„Musstest du doch nicht! Ich hab dich nicht dazu gezwungen!“, verteidigte Ben sich und sie nickte leicht, während sie gegen neue Tränen ankämpfte und die Lippen aufeinander presste. Sie schlang die Arme um den Oberkörper und hielt sich selber fest.

„Stimmt, aber du hast mir oft genug von deinen Sorgen um deine Großeltern erzählt und mir gesagt, dass ich als seine Freundin doch Einfluss auf Richards Entscheidungen haben müsste. Und du hast mir gesagt, dass ich doch nicht nur sein Anhängsel bin. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, euch nicht zu helfen“, wisperte sie und spürte wieder den Schmerz über die Erkenntnis, dass das alles nur gespielt gewesen war. Über die Enttäuschung, dass sie für Ben genauso Mittel zum Zweck gewesen war, wie für Richard: Der eine, der etwas zum Vorzeigen haben wollte und der andere, der nicht ihre Freundschaft, sondern nur ihre Unterstützung haben wollte. Der eine, der ihr geschmeichelt hatte, um sie ins Bett zu kriegen und der andere, der ihr Mut zugeredet und seine Sorgen mit ihr geteilt hatte, um sie auf seine Seite zu ziehen.

„Ich dachte, wir wären Freunde!“, rief sie aus und Ben meinte mit einem flüchtigen Schulterzucken, dass sie das doch auch irgendwie gewesen wären.

„Konnte ich doch nicht wissen, dass es sich so entwickelt!“, verteidigte er sich und verdrängte die besorgten Reaktionen von Hellen, wenn es ihn von Mal zu Mal mehr Überredungskunst gekostet hatte, um sie zu einem Gespräch mit Richard zu bewegen. Jenny aber schüttelte den Kopf und rang sich zu etwas durch, das sie aus jetziger Sicht schon viel früher hätte sagen sollen: „Ben, gibs zu, du hast mir von Anfang an gesagt, dass eine Freundschaft mit ihr womöglich auch gut wäre, damit sie ihn umstimmen kann. Selbst wenn das Thema da vielleicht noch nicht so im Vordergrund stand wie jetzt, hast du damals schon davon gesprochen“, verschränkte sie leicht die Arme vor der Brust und spürte den Stich in ihrem Herzen, als Ben sie wie eine Verräterin anschaute. Für sie war Hellen anfangs nur ein verwöhntes Luxusmädchen gewesen, das zwar keine ernstzunehmende Gefahr für ihre Beziehung mit Ben darstellte, aber offensichtlich etwas in ihren Treffen mit ihm suchte, das ihr eigener Freund ihr nicht geben konnte. Langeweile und Eintönigkeit hatte Jenny zunächst vermutet und den Kopf darüber geschüttelt, zu solchen Mitteln zu greifen, statt an der Beziehung zu arbeiten oder sie zu verlassen. Aber irgendwann, spätestens in den Gesprächen der letzten beiden Tage, hatte sie erkannt, dass Hellen vor allem durch Blauäugigkeit und dem Wunsch, nicht immerzu den Erwartungen anderer entsprechen zu müssen, geleitet worden war. Sie hatte sich ihr eigenes schlechtes Gewissen inzwischen eingestanden, aber konnte Ben das jetzt auch?



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